Leokadija Lescika ist in Liepa, rund 120 Kilometer von der Hauptstadt Riga entfernt, zuhause. Die landschaftlich wunderschöne Region, inmitten des Nationalparks Gauja, ist durch Überalterung, Abwanderung und fehlende Arbeitsplätze für junge Menschen geprägt. An sechs Tagen in der Woche klappert die 67-jährige mit ihrem Fahrer, Andris Klesa, mehr als hundert Verkaufsstellen ab. In den kleinen Dörfern und den vielen Einzelgehöften wird der rollende „Tante Emma Laden“ oft schon sehnlichst erwartet. Das nächste Geschäft ist oft zwanzig Kilometer entfernt. Ohne PKW bedeutet der Einkauf eine beschwerliche Tagesreise mit Bus und Bahn. Schon als Kind träumte Leokadija davon, einmal hinter der Ladentheke zu stehen. Mit der Unabhängigkeit Lettlands verlor Leokadija jedoch zum ersten Mal ihren Arbeitsplatz. Damals arbeite sie in einem staatlichen Lebensmittelgeschäft. In einer der Wirtschaftskrisen der neunziger Jahre ging der geliebte Verkäuferinnenjob zum zweiten Mal verloren. 2001 machte sich Leokadija, tatkräftig von ihren zwei Kinder unterstützt, mit ihrem „Tante Emma Laden“ selbstständig. Für ihre Kunden, die oft alt und allein in kleinen Siedlungen oder auf Bauernhöfen leben ist die wöchentliche Visite des klapprigen Mercedesbus ein „Gottesgeschenk“. Für die oft weit voneinander entfernt lebenden Nachbarn bietet die rollende Verkaufstheke einmal in der Woche auch die Gelegenheit zu Klatsch und Tratsch, zum wichtigen sozialen Austausch. Jeden Tag beten Leokadija Lescika und ihr Fahrer Andris Klesa, dass ihr rollender Laden weiter durchhält. Wir haben Leokadija Lescika und Andris Klesa eine Woche lang auf ihren Touren durch die lettische Provinz begleitet. Wir erzählen von Leokadijas unbändigem Willen sich nach dem Trauma des zweimaligen Jobverlustes, mit ihrem „Tante Emma Laden“ zu behaupten. Wir beleuchten die logistische Schwerstarbeit, die ermüdenden Fahrten über Schotterstraßen, den Stress beim ständigen Stop and Go.